„Fitness die Funktioniert“ so liest es sich sehr schön und vielversprechend der Werbeslogan vieler „Functional- und High Intensity Trainingsboxen“. Doch sind die positiven Trainingseffekte teuer mit versteckten Risiken für die Gesundheit erkauft?!?
Funktionelles Training mit einer sehr hohen Belastungsintensität. Diese Trainingsform scheint sehr effektiv zu sein, wenn es um die Verbesserung der Körperzusammensetzung geht. In einer kurzen Zeit wird durch ein enorm intensives Intervalltraining eine sehr hohe Anzahl an Kalorien verbrannt. Doch durch einen zu sehr hohen vor allem anaeroben Trainingsreiz kommt es nicht selten zum Überstrapazieren des Immunsystems.
Würde man in der Lage sein, das hoch intensive Training in der Belastungsprogression sehr gut zu steuern, so ließe sich langfristig auch die Verbesserung der Immunsituation erzielen. Nun, das würde eine sehr hohe sportmedizinische Kompetenz des Trainers und ein professionelles für die Trainingssteuerung notwendiges Messequipment erfordern. In der Praxis der Fitnessbranche ist dies aber nicht der Fall.
Um ein Beispiel zu nennen haben wir bei unseren Fußballprofis nicht nur die GPS Daten, sondern auch Acceleration, auf den Körper einwirkende Impacts, Herzfrequenz, Herzratenvariabilität und labortechnisch auf täglicher Basis Kreatinkinase gemessen. So konnten wir sehr schnell feststellen wann der Spieler aus dem hoch intensiven Training rausgenommen werden muss.
Sehr gut kann ich mich an eine Situation während meiner Arbeit als Sportphysiotherapeut einer U19 Bundesliga Fußballmannschaft erinnern. Wir hatten bei einem Spieler eine auffällige, über seine individuelle Baseline erhöhte Kreatinkinase Konzentration im Blut gemessen. So eine hohe Konzentration an Kreatinkinase deutet auf eine Muskelverletzung hin. Wir wussten aber, dass es keine Vorkommnisse gab, welche auf eine Muskelverletzung hindeuten sollten.
Es hat sich herausgestellt, dass der Spieler ohne unser Wissen mit einem „Personaltrainer“ außerhalb des Vereins trainiert hat. Hätten wir keine täglichen Messungen durchgeführt, wäre es bestimmt zum Over Use und sogar zur einer schlimmeren Verletzung gekommen, weil wir nicht gemerkt hätten, dass der Spieler ins Übertrainingssyndrom läuft.
Wie funktionell sind wirklich Übungen in solchen „Trainingsboxen“?
Es ist im Trend, jedes Training, das nicht an isolierten Kraftmaschinen stattfindet als Functional Training zu bezeichnen. Doch man muss sich schon die Frage stellen, wie funktionell denn z.B. „ein Hauen mit dem Hammer auf einen Traktorreifen“ für einen Fußballer, Tennisspieler oder Mensch, der im Büro sitzt ist. So eine Übung hat überhaupt keine Alltagsrelevanz und führt meistens nur zu einer Überbelastung von Strukturen.
Oder - wie funktionell ist überhaupt eine Plankübung für uns aufrechtgehende Zweibeiner? Für meine Katze, die auf 4 Beinen läuft, ist ein Plank sicherlich sehr funktionell, für jeden anderen aufrechtgehenden Menschen müsste man die Alltagsrelevanz auch dieser Übung kritisch hinterfragen.
Ich kann mich sehr gut an einen Patienten erinnern, der in so einer „Box“ trainiert hat. Er klagte über einen Bandscheibenvorfall, doch als ich mir zusammen mit dem befreundeten Radiologen seine MRT Bilder angeschaut habe, staunten wir nicht schlecht. Nicht nur ein Bandscheibenvorfall war das Problem. Viel Besorgnis erregender waren die im MRT sichtbaren Deckplatteneinbrüche, die aufgrund der zu hohen repetitiven axialen Belastung entstanden sind.
Komplexe Grundübungen
In solchen Trainingsboxen werden sehr gerne komplexe Grundübungen wie Deadlifts und Kniebeugen mit zum Teil sehr hohem Gewicht - und was viel schlimmer ist mit einer sehr hohen Bewegungsgeschwindigkeit durchgeführt.
Eines muss klar sein: wenn es darum geht, aus einem Trainierenden einen Athleten zu kreieren, gibt es nichts Besseres, als solche Grundübungen durchzuführen. Doch viele Menschen können per se nicht eine saubere Kniebeuge durchführen.
Warum ist es so? Viele Menschen haben, so simpel es klingt, Störungen der Arthrokinematik (Gelenkmechanik) in den Gelenken.
So z.B. führt ein eingeschränktes Gleiten des Sprungbeinknochens zu einer verminderten Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk. Das führt zur einer erhöhten Belastungsspitze im Sprunggelenk aber auch zur Unfähigkeit, eine Kniebeuge sauber durchzuführen.
Eine Einschränkung des Wadenbeinköpfchens, Einschränkung im thoracolumbalen Übergang um nur paar Beispiele zu nennen, vereitelt die Fähigkeit des Menschen eine vermeidlich gesunde Übung technisch korrekt durchzuführen.
Die Folgen von jahrelangem Missbrauch des Bewegungsapparates sehen wir dann in der Physiotherapieambulanz.
Ich finde es ist wirklich unverantwortlich, dass jeder, ohne eine vernünftige Ausbildung so eine Box betreiben oder Menschen Bewegung beibringen darf. In Europa ist alles geregelt, sogar wie stark die Krümmung einer Banane sein muss, aber jeder Laie wird unkontrolliert an die Menschen losgelassen und das Gesundheitssystem muss dann für die Schäden des falschen Trainings aufkommen.
Und was noch viel schlimmer ist, das Image der Fitnessindustrie (das meiner Meinung nach am meisten zur Salutogenese der breiten Bevölkerungsmaße beiträgt) leidet auch darunter, weil alles an Fitnessangeboten in eine Schublade gesteckt wird. Nur weil jemand ein guter Athlet ist, heißt es noch lange nicht, dass er in der Lage ist Menschen unter Einhaltung von sportmedizinischen und sportwissenschaftlichen Aspekten vernünftig zu betreuen.
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